Vorname | Simon |
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Nachname | Hirsch |
Geburtsname | |
Geburtsdatum | 13.04.1880 |
Geburtsort | Neustadt bei Pinne (Lwówek), Posen, heutiges Polen |
Wohnort(e) |
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Beruf | Abteilungsleiter |
Geschäftsadresse | "Kaufhaus Tietz", Ossenreyerstraße 19, Stralsund |
Familienstand | verheiratet |
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Verwandschaftsverhältnis | Ehemann von Käthe Hirsch (1889-1948), Vater von Werner (1920-1990) |
Deportation | keine |
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Todesdatum | 03.05.1942 |
Sterbeort | Stralsund |
Simon Hirsch und Familie
Simon Hirsch wurde am 13. April 1880 als Sohn des Kaufmanns Leib Hirsch (1835-1881) und dessen zweiter Ehefrau, Dora Hirsch, geb. Karger (1850-1902), in Neustadt bei Pinne (Lwówek), Posen (heutiges Polen) geboren.
1905 zog er nach Stralsund, in den Wohnungsanzeigern ist Simon Hirsch als Handlungsgehilfe verzeichnet. Am 26. August 1915 heiratete er die evangelisch getaufte Verkäuferin Käthe Wilhelmine Bertha Anna Lorenz. Sie war die Tochter des Kaufmanns Hermann Lorenz und seiner Ehefrau Bertha Katherine Christine Josefine, geb. Copius und wurde am 28. Oktober 1889 in Graudenz (Grudziadz), Westpreussen geboren. Am 4. Februar 1920 wurde der einzige Sohn des Ehepaares Hirsch, Werner, in Stralsund geboren.
Simon Hirsch arbeitete lange Zeit im Stralsunder Warenhaus von Leonhard Tietz. In den späteren Wohnungsanzeigern wird er mit der Berufsbezeichnung „Abteilungsleiter im Ruhestand“ geführt. Das Stadtarchiv Stralsund besitzt in Kopie die „Festschrift 50 Jahre Leonhard Tietz 1879-1929“, hier erscheint Simon Hirsch auf der Liste der Jubilare, d.h. der langjährigen Mitarbeiter. Es ist ebenfalls ersichtlich, dass Simon Hirsch bereits bei seiner Erstanstellung im Kaufhaus als Abteilungsleiter eigestellt worden war.
Um 1923 zog die Familie aus dem Mietshaus der Kleinschmiedstraße 7 in der Nähe des Alten Marktes in ein Doppelhaus der Barther Straße 55 in eine am Stadtwald gelegene Neubausiedlung.
1934 und 1938 erscheinen Simon und Käthe Hirsch auf der Liste der Mitglieder der Synagogengemeinde Stralsunds. Ab 1934 war Simon Hirsch im Vorstand der jüdischen Gemeinde tätig.
Aufgrund seiner jüdischen Abstammung verlor Simon Hirsch im Herbst 1935 seine Arbeit im inzwischen „arisierten“ Warenhaus. Vor einer Deportation bewahrte ihn seine Ehe mit einer Nichtjüdin, nicht aber vor Hetze und sozialem Abstieg. Die Familie Hirsch war nun gezwungen, sich mittels eigener Reserven und der Hilfe von Leidensgenossen zu versorgen und am Leben zu erhalten. Der noch minderjährige Sohn Werner zog zur Schwester von Simon Hirsch, Sara Seide (1875-1943), die verwitwet in Berlin lebte. Im September 1939 kehrte er noch einmal für eine kurze Woche nach Stralsund zurück.
Käthe Hirsch war ebenfalls nach Berlin gegangen. Ob sie ihren Sohn begleitete oder sich von ihrem Mann in der Hoffnung trennte, seine materielle Not dadurch zu erleichtern, wissen wir nicht. Eine Scheidung konnte nicht ermittelt werden. Käthe Hirsch erscheint im Berliner Adressbuch von 1938 als Verkäuferin an der Adresse Prenzlauer Straße 11a1. Sie überlebte den Zweiten Weltkrieg um drei Jahre und erlag am 26. März 1948 einem Krebsleiden in Berlin-Neukölln.
Simon Hirsch musste wie viele andere im Dezember 1938 einen Antrag auf Eintragung des Zwangsnamen “Israel” stellen.
1939 Jahr verließ Simon Hirsch seine Wohnung in der Barther Straße und zog in die Mönchstraße 31, das Haus der jüdischen Familie Gerson. Das Stadtarchiv Stralsund bewahrt ein Schreiben des hiesigen Arbeitsamtes auf, in dem es heißt: „Der Jude Simon Israel Hirsch, geb. ist Lt. Urteil des Amtsarztes für körperliche Arbeiten nicht einsatzfähig, jedoch aber für Bürotätigkeit. Der Grad seiner Erwerbsbeschränkung beträgt 30% wegen Gallenblasenentzündung und chronischem Magenkatarrh.“2
Es ist nichts darüber bekannt, ob Simon Hirsch eine Bürotätigkeit zugewiesen wurde, so dass davon ausgegangen werden muss, dass er sich durch die Hilfe und Solidarität von Schicksalsgefährten und seine eigenen bescheidenen Mittel am Leben erhielt. Weder Geschäftsabwicklungen noch große Vermögenswerte sind bekannt.
Gut drei Monate später verstarb Simon Hirsch an einem Magengeschwür und einer Herz-, Kreislaufschwäche im Städtischen Krankenhaus Stralsund.
Der Sohn Werner arbeitete Ende der 1930er Jahre als Dolmetscher und Kantor in der jüdischen Synagoge Berlin. Während der „Fabrikaktion“3 im Februar 1943 wurde er verhaftet und in die Große Hamburger Straße in Berlin gebracht. Der Protest der Angehörigen, unter ihnen Käthe Hirsch, brachte die Freilassung der Verhafteten4. Werner Hirsch überlebte den Zweiten Weltkrieg in Berlin. Nach dem Krieg heiratete er zweimal. Lange Zeit lebte er in Frankfurt am Main, später dann in Maxdorf. Am 28. September 1990 verstarb Werner Hirsch in Leer, Ostfriesland. Seine drei Kinder leben heute in Deutschland.
Quellen:
- Wohnungsanzeiger Stralsund 1912-1941
- Adressbuch Berlin 1938
- Stadtarchiv Stralsund, Personenstandsregister
- Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 432, Synagogengemeinde
- Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 440, Einführung jüdischer Vornamen
- Nachfahren von Werner Hirsch in Berlin
- Stadtarchiv Stralsund, Nachlass Höwing, NHöw 091, Festschrift 50 Jahre Leonhard Tietz 1879-1929
1 Heute: Karl-Liebknecht-Straße
2 Vgl.: Stadtarchiv Stralsund, NGenz16, Schreiben des Arbeitsamtes Stralsund wegen Einsatz von Juden, 8. Januar 1942
3 Bei der „Fabrikaktion“ handelt es sich um die Verhaftung bislang nicht deportierter, in „privilegierten Mischehe“ lebender Berliner Juden an den Orten ihrer Zwangsarbeit und ihre Verbringung in die Rosenstraße 2-4. Der folgende, tagelange Protest der Angehörigen der Verhafteten ist bekannt geworden unter dem Namen „Rosenstraßen-Protest“ und ist die bekannteste zivile Aktion gegen die Naziwillkür.