Vorname | Hermann/Hershel |
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Nachname | Wein |
Geburtsname | |
Geburtsdatum | 01.06.1894 |
Geburtsort | Nisko, Österreich / Ungarn, heutiges Polen |
Wohnort(e) |
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Beruf | Kaufmann Altwaren |
Geschäftsadresse | Frankenstraße 22, Stralsund |
Familienstand | verheiratet |
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Verwandschaftsverhältnis | Ehemann von Malka Lorbeer, Vater von Max (1922-2014), Regina (geb. 1925) und Leo (geb. nach 1925) |
Deportation | 1944 Groß Rosen, Buchenwald, Überlebender |
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Todesdatum | 1988 |
Sterbeort | Miami, Florida, USA |
Hermann1 Wein und Familie
Hermann Wein wurde am 1. Juni 1894 in Nisko, Polen, geboren. Er heiratete – wahrscheinlich 1921 – die Jüdin Malka Lorbeer (ermordet 1943). Aus den Dokumenten des Konzentrationslagers Groß Rosen geht hervor, dass Hermanns Vater, Moses Wein (gestorben 1904 in Nisko), Sattler war und auch Hermann nach dem Besuch der Volksschule2 den Beruf eines Sattlers erlernt hatte. Seine Mutter, Sceindel Habler, starb 1939 in Nisko. Beide Eltern waren Juden. Im Ersten Weltkrieg diente Hermann in der Infanterie.
Am 25. Mai 1922 wurde sein Sohn Max in Ulanow bei Kraków, in Polen geboren. Die Tochter Regina kam 1925 und der jüngste Sohn, Leo, 1927 zur Welt.
Wie andere polnische Juden seiner Generation verließ Hermann wegen der zunehmenden antisemitischen Haltung der polnischen Regierung in den späten 1920er Jahren seine Heimat und ging nach Westen. Seit 1929 war er mit seiner Familie in Stralsund als Altwarenhändler ansässig. Er wohnte in der Frankenstraße 22 und betrieb in Stralsund zwei Geschäfte, in denen er alte und neue Militärsachen verkaufte. Sein Sohn Max besuchte die Grund- und Mittelschule in Stralsund. Die Familie Wein gehörte der Synagogengemeinde in Stralsund an3.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, den ersten Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte und Geschäftsleute und einem Schulverweis für Max auf der Grundlage des „Gesetz(es) gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Universitäten“ vom 25. April 1933 zog die Familie auf die Insel Rügen, nach Bergen. Auch dort unterhielt Hermann Wein einen Altwarenhandel. Nach einer kurzen Zeit relativer Ruhe war Max auch in Bergen Ausgrenzung und Drangsalierung durch die Mitschüler ausgesetzt. Deswegen zog die Familie 1936 nach Berlin, wo bereits eine Verwandte lebte und hoffte auf die größere Anonymität der Großstadt.
Im Oktober 1938 wurden Hermann Wein, seine Frau und Kinder als polnische Staatsbürger aus dem Territorium des Deutschen Reiches ausgewiesen und mussten Berlin verlassen. Ihr Weg führte sie nach Chorzów (Königshütte, Schlesien), wo Hermann einen kleinen Möbelladen eröffnete. Bis 1939 lebte die Familie in relativer Sicherheit und ohne materielle Not. Mit Beginn des Krieges verschlechterte sich die Stimmung der polnischen Bevölkerung gegenüber den Juden zusehends. Die Lebensbedingungen der Weins wurden immer prekärer und sie waren gezwungen, Chorzów zu verlassen und 1941 nach Cernow4 zu übersiedeln. Dort fand Hermann Wein Arbeit als Riemenmeister.
Max wurde bei einer Razzia in Cernow mit anderen arbeitsfähigen Jugendlichen und Männern aufgegriffen und in ein Arbeitslager gebracht, von wo ihm nach einiger Zeit die Flucht zurück nach Cernów gelang. Die Familie floh innerhalb weniger Wochen später nach Kraków (Krakau). Hier existierte zu diesem Zeitpunkt bereits das Ghetto für die Juden. Hermann Wein und sein fast volljähriger Sohn Max wurden zur Zwangsarbeit herangezogen und mussten mithelfen, das Konzentrationslager Plaszow5 herzurichten. Während die beiden Männer ihren Arbeitsdienst verrichteten, wurden nacheinander Regina, Leon und Malka Wein in den Jahren 1941 bis 19436 aus dem Ghetto Krakau deportiert. Es gibt keine Informationen zu ihrem weiteren Schicksal, wahrscheinlich wurden sie ermordet.
Max Wein war einer derjenigen Juden, die 1943 aus dem Lager Plaszow zur Arbeit in die Fabriken von Oskar Schindler gebracht werden sollten. Da sein Vater aber nicht auf dieser Liste stand, verließ Max kurzerhand den rettenden Transport und blieb in Plaszow bei seinem Vater7.
Hermann und Max Wein wurden später mit dem Zug in das Lager Groß Rosen, dann in das Konzentrationslager Buchenwald und von dort weiter in das Außenlager Sonneberg8 gebracht. Hermann Wein gelang es, sich eine Arbeit in der Küche des Lagers zu sichern, was beiden eine bessere Versorgung und Behandlung als dem Rest der Gefangenen einbrachte.
Mitte März 1945 ordnete die Lagerverwaltung den „Todesmarsch“ an, denn die amerikanischen Truppen rückten näher. Die Tagesration an Verpflegung bestand nach Aussagen von Max Wein aus einer Kartoffel, etwas Salz und einer Flasche Wasser. Eines Nachts nutzten Hermann und Max Wein die Gelegenheit zur Flucht. Drei Tage lang versteckten sie sich im Heu der Scheune, in der sie genächtigt hatten. Bei ihrem Versuch, die Scheune zu verlassen um Wasser zu trinken, wurden sie gefasst und der Gestapo ausgeliefert. Entgegen aller Erwartungen wurden sie nicht erschossen, sondern fortgejagt. Eine weitere Patrouille brachte sie in ein kleines Gefängnis, sie wurden erneut der Gestapo übergeben. Glücklicherweise gab sich die Gestapo mit den Aussagen der beiden zufrieden und forschte nicht weiter nach. Da Hermann und Max auch keine äußeren Auffälligkeiten hatten, erhielten sie am nächsten Tag Papiere, die ihnen eine ungehinderte Weiterreise ermöglichten.
Ihre Flucht führte sie über Tschechien. Hier erkrankte Hermann Wein an Typhus. Max brachte seinen kranken Vater nach Prag und von dort nach Dresden. Aber in Dresden blieben sie nicht. Fremde nahmen sie mit zurück nach Prag, wo Hermann in ein Krankenhaus kam und wieder gesundete. In der Hoffnung, sich von Deutschland aus über Österreich nach Italien schmuggeln zu lassen, begaben sie sich drei Monate später nach Deutschland. Die Schmuggler weigerten sich, den 41jährigen Hermann mitzunehmen und so mussten Max und sein Vater ein weiteres Jahr in Deutschland ausharren. Sie besorgten sich Papiere und verließen Ende 1946 an Bord der MS „Marlin“ Deutschland in Richtung USA.
Am 23. Dezember 1946 erreichten sie Chicago. Der Anfang in den Vereinigten Staaten war nicht leicht. Nach unzähligen Ablehnungen wegen seines Glaubens fand Max schließlich Arbeit. Hermann und Max Wein gelang es, sich in Chicago ein neues Leben aufzubauen. Max Wein heiratete und bekam zwei Töchter. Hermann Wein starb 1988 in Miami/Florida, sein Sohn Max im Juni 2014 in Chicago.
Quellen:
- Wohnungsanzeiger Stralsund 1924-1935
- Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18 Nr. 432, Jüdische Gemeinde Stralsund
- Riech Käske: Die Familie Wein – Eine jüdische Biographie, in: Jüdisches Leben auf Rügen und in Stralsund, Hrsg. Prora-Zentrum, Wissenschaftliche Reihe, Band 1, Stadtdruckerei Weidner Rostock, 2010
- Wikipedia, https://de.m.wikipedia.org/wiki/KZ_Außenkommando_Sonneberg, 1. August 2021, 20:31 Uhr
1 In den Dokumenten finden sich auch die Schreibweisen Herschel und Hersch.
2 Die Volksschule umfasste 7 Klassenstufen.
3 Sie wird dort auf der Liste aus dem Jahr 1934 genannt.
4 Ortsbezeichnung unklar, Vermutlich Czarnów, Polen.
5 Das Konzentrationslager Plaszow ist bekannt aus dem Buch und Film „Schindlers Liste“.
6 1943 wurde das Ghetto Krakau liquidiert.
7 Diese Information geht zurück auf den Text von Rieco Käske über die jüdische Familie Wein.
8 Außenlager des KZ Buchenwald auf dem Werksgelände der Thüringer Zahnradwerke mbH Sonneberg, einem Tochterunternehmen der Leipziger Maschinenfabrik G. E. Reinhardt, in der Hallstrasse 39 im Sonneberger Stadtteil Bettelhecken.