Vorname | Eugen |
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Nachname | Fenyves/Feiner |
Geburtsname | |
Geburtsdatum | 13.08.1889 |
Geburtsort | Budapest, Ungarn |
Wohnort(e) |
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Beruf | Dirigent, Bratschist, Kapellmeister |
Geschäftsadresse | Philharmonisches Orchester Stralsund |
Familienstand | verheiratet |
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Verwandschaftsverhältnis | Ehemann von Helene Pietrula (geb. 1884) |
Deportation | keine |
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Todesdatum | 12.01.1945 |
Sterbeort | Budapest |
Eugen Fenyves
Erinnerung an Eugen Fenyves, den ungarisch-jüdischen Kapellmeister des Theater Vorpommerns, der seine wohl glücklichsten Jahre in Stralsund verbrachte.
„Er ist eine durch und durch musikalische Persönlichkeit, die ganz in der Musik aufgeht, trotzdem aber vorzüglich mit den ihm unterstellten Musikern umzugehen versteht und mit großer Umsicht den Taktstock schwingt. Seiner Tätigkeit war hier ein großer Erfolg beschieden.“ So schreibt der Stralsunder Zweite Bürgermeister Dr. Walter Fredenhagen (1878-1945) am 8. Januar 1931 in das Zeugnis des ersten Kapellmeisters des Stralsunder Theaterorchesters Eugen Fenyves, der von 1919 bis 1927 als einer der ersten Kapellmeister das 1919 gegründete Philharmonische Orchester dirigierte. Zahlreiche Konzert-und Opernplakate im Stadtarchiv zeugen von seinem Engagement und Fleiß, viele archivierte Rezensionen von seiner Popularität.
Eugen Fenyves wurde am 13. August 1889 in Budapest als Sohn von Karl-Joachim Feiner (ungarisiert Fenyves,) und Sarah Feiner, geb. Schnitzer, geboren.
Eugen Fenyves studierte Geige und Komposition an der Budapester Musikakademie, war ab 1913 an die Berliner Oper als Bratschist und von 1919 bis 1927 an das Stralsunder Theater als erster Kapellmeister engagiert. Im 14. April 1920 ehelichte er die Stralsunder Theaterschneiderin Helene Pietrula (geb. 28. September 1891), Tochter des aus Posen zugezogenen Eisenbahnzugführers Ignatz Pietrula und seiner Ehefrau Marie Seiffert, wohnhaft in Stralsund, Knieperstr. 7.
Bis 1938 war die Wohnung des Ehepaars Fenyves Ossenreyer Str. 41, angemietet unter dem Namen Eugen Fenyves, danach unter dem Namen Helene Fenyves.
Neben seiner Kapellmeistertätigkeit komponierte Eugen Fenyves Orchesterwerke, Lieder und Kammermusik, u.a. die „Ungarische Bauernhochzeit“.
Nach 1938 unterrichtete Eugen Fenyves Theorie und Kammermusik am Konservatorium Budapest.
(Quelle Vorlesungsverzeichnis Musikkonservatorium Budapest, auf ungarisch, übersetzt von L.Sandor).
Am 12. Januar 1945 wurde Eugen Fenyves von nationalsozialistischen Pfeilkreuzlern ermordet.
Kurz vor seinem Tod schrieb Eugen Fenyves folgenden Brief (ohne Datum) an seine Frau Helene:
Mein Liebstes Bestes,
es ist Dienstag der 7., es geht auf halb fünf in der Früh, eben vom kahlen Fußboden eines Schulzimmers in Kispest nach der „Nachtruhe“ aufgestanden. Fortsetzung des Rückzuges. Am verg. Donnerstag wurden meine und eine weitere Kompanie weit vor Tagesanbruch bei strömendem Regen vom alten Standquartier zu einem 8 km langen Marsch eingesetzt, um Pfähle zu roden. Am frühen Vormittag war Rückzug wegen Durchbruch. Ich war „fertig“ und meldete mich marschunfähig. Demzufolge blieb ich mit über 50 Mann und dem Arzt im Standquartier, während alle Kompanien in der Abenddämmerung den Rückmarsch antraten. Wir Zurückgebliebenen sollten ihnen am nächsten Morgen folgen. Nun, am morgen, es war Freitag, waren die Russen bei uns. Das dauerte 4 Tage, dürftiges Essen scharrten wir täglich einmal zusammen. Das Schlimmste aber war, dass wir zwischen zwei Feuerlinien gerieten und lagen täglich mehrmals sogar in der Feuerachse. Stundenlange Kanonaden und Fliegerangriffe haben wir durchgemacht, mitten drin. Der Allmächtige hat uns aber beschützt, auch bei einem Hagel, da ein Russe keine 10 Schritte weit in einer Haustüre von einer von hinten hersausenden Mine tödlich getroffen wurde. Gestern Mittag tauchten nun plötzlich Deutsche auf. Man ließ uns eintreten unter „Formalitäten“, dass ich dachte, ich spreche mein letztes VaterUnser. Als ich dem jungen Offizier hastig sagte, meine Frau sei eine geborene Reichsdeutsche, lachte er mich aus. Zuerst hieß uns ein Soldat schnell aufpacken, doch als wir auf dem Weg marschbereit standen, befahl uns derselbe Offizier, alle unsere Sachenhieran(?)legen. Und ließ uns erst dann losmarschieren. Auf diese Weise büßten wir unsere ganze, auf Befehl der ungarischen Behörden mitgenommene Ausrüstung auf Nimmerwiedersehen ein und es verblieb nur das, was wir am Leibe trugen.Unersetzliches kam weg, knapp vor dem Winter.
Als wir nun marschierten , zwischen Maschinengewehren, hielten wir plötzlich vor einer großen Kiesgrube. Und wieder war es so, dass ein jeder empfand, nun ist es Schluss mit dem Leben. Gott hat uns aber auch hier beschützt!!!
Nach Weitermarsch war „Rast“ bis zur Dunkelheit, dann wieder Marsch, im Gewalttempo, über Stock und Stein, im Dreck, Schlamm, Wasser. Ich und ein Kamerad schleppten am Ende des Zuges einen Mann mit, der vom 1. Kriege her Knöchel-,Knie – und Lungenschuss hatte. Aber man musste marschieren wie wild, ja sogar mit hochgehaltenenHänden.
Obgleich wir vorm ungarischen Militär restlos sauber, frei von Schuld dastanden. Doch das kümmerte offenbar nicht unsere nichtmilitärischeBegleitung auf dem Marsch. Warum nicht? Das ist in knappen Umrissen die Geschichte der letzten 5 Tage. Jetzt schreibt man gerade die zusammen, die zur nichtärztlichen Untersuchung kommen sollen.Ich habe mich auch gemeldet. Wollen sehen, was daraus wird. Wohin wir aber kommen ahnt natürlich niemand. Gebe der barmherzige Allmächtige, dass wir nicht mehr auf die Ofener Seite hinübergeführt werden, sonst- – – – – – sonst.
Lieber Gott!Hilf und beschütze uns und führ mich zu meiner Lene zurück!
Du aber, mein Liebstes, halte Dich tapfer und sei auch klug!Und wendig!
Bis zum Letzten, in Wehmut und Sehnsucht nach Deiner lieben Hand innigst, noch und noch,
Dein Str.(auf Postkarten an Helene ist die Unterschrift „Strolch“ zu lesen)
Anmerkungen:
Die systematische Deportation der ungarischen Juden begann nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Ungarn im März 1944. Innerhalb von vier Monaten wurden mit Hilfe der ungarischen Gendarmerie, Polizei und Verwaltung über 437.000 Menschen deportiert, von denen der Großteil kurz darauf in Auschwitz ermordet wurde. Aufgrund massiven ausländischen Drucks verfügte Reichsverweser Miklós Horthy am 9. Juli 1944 den Stopp der Deportationen. Zu diesem Zeitpunkt war Ungarn jedoch bis auf die Budapester Juden und etwa 80.000 jüdische Männer, die in der ungarischen Armee Arbeitsdienst leisten mussten, bereits »judenrein«. Nach dem gescheiterten Versuch Horthys, das Bündnis mit dem Deutschen Reich zu lösen und aus dem Krieg auszutreten, wurde im Oktober 1944 die Regierung an Ferenc Szálasi übergeben, den Führer der ungarischen nationalsozialistischen Pfeilkreuzler. Die Deportation der ungarischen Juden begann nun erneut. Ab November 1944 wurden die Budapester Juden und Arbeitsdienstler zu Fuß in Richtung »Ostmark« getrieben. Die in Budapest verbliebenen Juden wurden ab Mitte November in zwei Ghettos umgesiedelt. Der Politikwissenschaftler Braham schätzt die Gesamtzahl der Opfer unter der jüdischen Bevölkerung Ungarns auf 565.000.
Quelle:
- Stadtarchiv Stralsund
- Familienarchiv Nachfahren von Helene Pietrula