Vorname | Israel |
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Nachname | Kotljarski |
Geburtsname | |
Geburtsdatum | 05.05.1895 |
Geburtsort | Chodorków/Kiew, Ukraine |
Wohnort(e) |
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Beruf | Schneider |
Geschäftsadresse | Mühlenstraße 24, Stralsund |
Familienstand | verheiratet |
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Verwandschaftsverhältnis | Ehemann von Louise Möller (1899-1973), Vater von Wolfgang (geb. 1921) und Margot (1923-2003) |
Deportation | Juli 1944 Auschwitz |
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Todesdatum | 09.11.1973 |
Sterbeort | Stralsund |
(Max) Israel Kotljarski und Familie
Israel Kotljarski, genannt Max Kotljarski, wurde am 5. April 18931 in Chodorków bei Kiew, Ukraine, geboren. Er erlernte den Beruf eines Schneiders und diente im Ersten Weltkrieg als Soldat in der russischen Armee. Während des Krieges geriet er in Kriegsgefangenschaft, die er in Schleswig-Holstein verbrachte. Nach dem Krieg kehrte er nicht in die Ukraine zurück, sondern blieb in Deutschland.
1920 heiratete Israel Kotljarski die aus Elmenhorst, Schleswig-Holstein, stammende Nichtjüdin Louise Möller. Am 26. Juni 1921 kam ihr Sohn Wolfgang in Elmenhorst zur Welt. Von 1923 bis 1927 lebte die Familie Kotljarski in Reinberg/Vorpommern, hier kam im Januar 1923 die Tochter Margot zur Welt. 1927 bezog die Familie eine Mietwohnung in der Reinhold-Straße in Stralsund. In der Mühlenstraße 24 eröffnete Israel Kotljarski eine Schneiderwerkstatt.
Israel Kotljarski wurde von seinem Sohn als sehr umgänglicher, zuvorkommender und selbstbewusster Mann beschrieben2. Wegen seiner geringen Körpergröße blieb der Spitzname „Max“ an ihm hängen. Seine Geschäfte gingen gut und so lebte die Familie in ordentlichen Verhältnissen. Israel Kotljarski war Mitglied der Stralsunder Synagogengemeinde; seine Frau war Protestantin. Die beiden Kinder wurden erst im Jahr 1934 evangelisch getauft, um sie vor der Verfolgung durch die Nazis zu schützen.
Auf der Grundlage des „Gesetz(es) über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“ vom 14. Juli 1933 wurde Israel Kotljarski wie andere deutsche Juden aus Osteuropa staatenlos.
In der Reichspogromnacht wurde er mit vielen anderen Stralsunder Juden verhaftet und im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert3. Auch seine Frau Louise wurde verhaftet, sie kam allerdings nach kurzer Zeit wieder frei.
Nach einigen Wochen wurde auch Israel Kotljarski entlassen und kehrte nach Stralsund zurück. Er musste seine Werkstatt aufgeben4 und Zwangsarbeit beim Straßenbau an der Strecke von Grimmen nach Stralsund leisten5.
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er als Schneider wieder „kriegswichtig“ und arbeitete in der Uniformschneiderei Kriews in Stralsund. Wahrscheinlich schützte ihn diese Arbeit und die Tatsache, dass er in einer sogenannten „privilegierten Mischehe“ lebte vor einer frühzeitigen Deportation.
Erst im Juli 1944 wurde Israel Kotljarski verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Im Konzentrationslager rettete ihm sein Beruf erneut das Leben: er konnte im Lager als Schneider arbeiten, wurde separat untergebracht, durfte Briefe schreiben und Post erhalten. Seine Ehefrau Louise musste während des Krieges Zwangsarbeit in der Stralsunder Fallschirmfabrik von Kehler und Stelling auf der Franzenshöhe leisten. Sie widerstand allen Versuchen der Nationalsozialisten, sie zur Scheidung von ihrem jüdischen Ehemann zu bewegen und sicherte so ihrer Familie das Überleben.
Im Januar 1945 ging Israel Kotljarski auf den Todesmarsch von Auschwitz nach Dachau. Er überlebte sowohl Todesmarsch als auch das Konzentrationslager Dachau, aus dem ihn amerikanische Soldaten befreiten.
Nach einem Krankenhausaufenthalt in Würzburg kehrte Israel Kotljarski im Sommer 1945 nach Stralsund zurück. Seine Frau und die beiden Kinder hatten ebenfalls überlebt, wenn auch unter großen Opfern und nicht unbeschadet. Wolfgang, der den Krieg in verschiedenen Arbeitslagern Polens durchlebt hatte, floh Anfang 1945 auf abenteuerlichen Wegen nach Stralsund und versteckte sich die letzten Kriegsmonate bei dem Vater eines Schulfreundes.
Margot wurde 1944 als kaum Zwanzigjährige in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Sie wurde zwangssterilisiert und musste Zwangsarbeit bei Baumrodungen im Umfeld des Konzentrationslagers verrichten. Kurz vor Kriegsende gelang ihr die Flucht von einem Todesmarsch. Die traumatischen Erlebnisse von Ravensbrück und der Todesmarsch hinterließen tiefe Spuren. Sie blieb nach dem Krieg nicht wie ihr Bruder in Stralsund, sondern zog nach Westdeutschland, wo sie 2003 verstarb.
Israel Kotljarski wurde nach dem Krieg als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt und eröffnete in der Mühlenstraße 24 erneut seine Schneiderei.
Er starb am 9. November 1973 in Stralsund. Gemeinsam mit seiner Ehefrau, die im gleichen Jahr verstarb, wurde er auf dem Jüdischen Friedhof beigesetzt. Ein Stolperstein für ihn befindet sich seit November 2010 vor seiner Werkstatt in der Mühlenstraße 24.
Quellen:
- Jüdisches Leben auf Rügen und in Stralsund, Hrsg. Prora-Zentrum e.V., Wissenschaftliche Reihe, Band 1
- Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 432, 442
- Wikipedia, Aktionsjuden, 31.01.2021
- Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 0436, Auflösung jüdischer Geschäfte 1938-1940
1 In den Dokumenten des Stadtarchivs Stralsund tauchen zwei verschiedene Geburtsdaten auf: 15.05.1893 (Rep. 18, Nr. 432, Jüdische Gemeinde) und der 5.05.1895 (Rep. 18, Nr. 442, Vermögensliste der Stralsunder Juden).
2 Vgl. Jüdisches Leben auf Rügen und in Stralsund, Hrsg. Prora Zentrum e.V.
3 Er gehörte damit zu den sogenannten „Aktionsjuden“, abgeleitet vom Codenamen des Pogroms „Aktion Rath“. Ziel war es, vor allem die Familienvorstände jüdischer, gut situierter bis wohlhabender Familien durch diese Aktion einzuschüchtern, sie zum Verkauf ihres Besitzes und zum Verlassen Deutschlands zu drängen.