Vorname | Jakob Isser |
---|---|
Nachname | Schnauzer |
Geburtsname | |
Geburtsdatum | 11.12.1894 |
Geburtsort | Lemberg (Lwiw), Österreich / Ungarn, heutige Ukraine |
Wohnort(e) |
|
---|---|
Beruf | Altwarenhändler, Schneider |
Geschäftsadresse | Frankenstraße 51, Stralsund |
Familienstand | verheiratet |
---|---|
Verwandschaftsverhältnis | Ehemann von Pessi Kestenbaum (geb. 1887), Vater von Julius (geb. 1923), Mannfried Abraham (1919-1997), Rechel (1915-1916) |
Deportation | 26.10.1938 Abschiebung nach Polen |
---|---|
Todesdatum | unbekannt |
Sterbeort | unbekannt |
Jakob Schnauzer und Familie
Jakob Isidor Schnauzer wurde am 11. Dezember 1894 in Lemberg, Galizien (heute Lwiw, Ukraine) geboren. Sein Vater, Simon Wolf Schnauzer, war dort als Händler ansässig und hatte 1893 Jakobs Mutter, Chane Feige Noschkes, geheiratet.
Jakob Schnauzer erlernte nach dem Schulabschluss den Beruf eines Schneiders. 1914 heiratete er die aus dem galizischen Drohobytsch (heute Drohobycz, Ukraine) gebürtige Perl Lea Kerzenbaum1 (geb. 1889). Wie andere polnische Juden damals verließ das Ehepaar aufgrund des zunehmenden Antisemitismus und der repressiven Politik der polnischen Regierung Galizien und zog nach Güstrow, wo 1915 ihre gemeinsame Tochter Rechel geboren wurde. Sie starb bereits ein Jahr später. 1919 wurde der älteste Sohn, Mannfried Abraham, geboren und im Juni 1923 der jüngste Sohn, Julius Isser.
Nachdem im Oktober 1930 das Konkursverfahren über das Vermögen von Jakob Schnauzer beendet worden war, zog die Familie von Güstrow nach Stralsund und ließ sich hier in der Ossenreyerstraße 49 nieder. In den Folgejahren wechselten sie noch mehrmals den Wohnort in Stralsund und damit auch die Geschäftsadresse, denn Jakob arbeitete als Schneider und Händler an seinem Wohnsitz. Die Unterlagen aus der Zeit des Nationalsozialismus zeigen, dass der Umzug nach Stralsund keine geschäftliche Verbesserung für Jakob bedeutete. Grund- und Hausbesitz oder geldmäßige Reichtümer sind nicht verzeichnet worden.
In der Liste der Stralsunder Synagogengemeinde ist das Ehepaar Schnauzer 1934 vermerkt.
Am 28. Oktober 1938 wurden Jakob und Pessi Schnauzer zusammen mit ihrem jüngsten Sohn, Julius Isser, aufgrund ihrer polnischen Staatsangehörigkeit unter Polizeiaufsicht von Stralsund aus mit dem Zug nach Stettin und nachfolgend nach Schneidemühl (heute Pila, Polen) abgeschoben und an der polnischen Grenze ihrem Schicksal überlassen. Diese Aktion erfolgte innerhalb kürzester Zeit, so dass der Familie keine Zeit blieb, irgendetwas aus ihrem Hausstand mitzuführen. Noch in Stralsund legte die Familie formell Beschwerde gegen die Ausweisung ein, die aber erfolglos blieb. Die Familie ging über Bromberg (heute Bydgoszcz, Polen) nach Drohobytsch zu den Angehörigen von Perl. Die letzte, in den Verwaltungsdokumenten erfasste Adresse der Familie erscheint im Mai 1940 und lautete:
Jakob Schnauzer, whft. Drohobycz, Polen, Kojtowska Gora 101a2.
Im Februar 1939 forderte der Schwager von Jakob, Dr. Samuel Lustig, Rechtsanwalt in Drohobycz, Rechenschaftslegung über die Abwicklung des in Deutschland verbliebenen Besitzes der Familie. Ein Antwortschreiben der Verwaltung gibt es nicht. Zum Abwickler wurde der Buchprüfer Erich Fischer aus der Tribseer Straße 26 bestellt. Die Abwicklung verzögerte sich, weil Fischer keinen Zugriff auf das Privatvermögen der Schnauzers erhielt und ein Teil der Möbel durch die Schwester von Jakob abgeholt wurde. Die spätere Rechnungslegung durch Erich Fischer weist ein Restguthaben von 1.952,26 Reichsmark aus. Im Mai 1940 erklärte der Oberbügermeister die Abwicklung des Geschäftes für abgeschlossen und beantragte die Übergabe des Barbetrages von 432,58 Reichsmark an den Abwesenheitspfleger, der aber erst Anfang Juni 1940 bestellt wurde. Das Geld wurde nicht ausgezahlt, sondern landete wie in anderen Fällen bei der Reichsfinanzverwaltung.
Nach dem Mai 1940 gibt es keine weiteren Lebenszeichen von der Familie. Die Namensdatenbank von Yad Vashem führt sie als verschollen bzw. ermordet.
Der älteste Sohn, Mannfried Abraham, floh 1936 nach Palästina, wo er ab Mai 1941 in der Armee diente und ein Jahr später die israelische Staatsbürgerschaft erwarb. In Palästina änderte er seinen Familiennamen auf „Netzer“ und heiratete im April 1948 die 1925 geborene Khaja Oestreicher. Das Ehepaar hatte mindestens eine Tochter. Mannfried Abraham Schnauzer starb am 27. Juli 1997 in Ein Hanaziv, Israel.
Für Jakob, Perl und Julius wurden am 15. Juni 2009 vor ihrer letzten Wohnstätte in der Frankenstraße 51 in Stralsund Stolpersteine verlegt.
Quellen:
- Adressbuch Lemberg, 1913
- Wohnungsanzeiger Stralsund 1924-1941
- Zentrale Datenbank der Namen der Holcaust-Opfer, www.yadvashem.org, abgerufen am 27. Dezember 2022
- Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 435, 439, 442, 436
- Deportationslisten, unter www.statistik-des-holocaust.de, abgerufen am 27. Dezember 2022
- Gedenkbuch-Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, www.bundesarchiv.de
- Internationales Zentrum zur Nationalsozialistischen Verfolgung, www.arolen-archives.org, abgerufen am 27. Dezember 2022
- Staatsarchiv Israel, www.archivesgov.il, abgerufen am 27. Dezember 2022
- Zweite Zentralregisterbeilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger, zugleich Zentralhandelsregister für das Deutsche Reich, Nr. 252, Berlin, 28. Oktober 1930
1 In den polnischen Archiven auch „Kestenbaum, Perl“ genannt.
2 In einem Schreiben Fischers an den Oberbürgermeister von Stralsund ist die Straßenbezeichnung „Wojtowska Gora“.