Vorname | Kurt |
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Nachname | Zimmerspitz |
Geburtsname | |
Geburtsdatum | 15.03.1922 |
Geburtsort | Stralsund |
Wohnort(e) |
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Beruf | Kaufmann Lederwaren |
Geschäftsadresse | Lederjackenfabrik, Buenos Aires |
Familienstand | verheiratet |
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Verwandschaftsverhältnis | Ehemann von Hanni Jackel, Vater von 2 Töchtern |
Deportation | keine, Flucht nach Argentinien |
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Todesdatum | 16.11.2013 |
Sterbeort | Jerusalem, Israel |
Kurt Zimmerspitz und Familie
Kurt Siegfried Zimmerspitz wurde am 15. März 1922 als zweiter Sohn des jüdischen Lederhändlers Gustav1 Zimmerspitz (1885-1941) und dessen Ehefrau Dora Pufeles (1886-1979) in Stralsund geboren. Die Eltern waren nach dem Ersten Weltkrieg aus Polen nach Stralsund gekommen, wo Gustav einen Großhandel mit Tierhäuten und einen Schuhwarenladen eröffnete. Der Laden und das Kontor befanden sich in der Tribseer Straße 14, einer Seitenstraße des zweiten großen Platzes von Stralsund, dem Neuen Markt.
Die Mutter Dora hatte den Beruf einer Putzmacherin erlernt, widmete sich nach der Heirat aber ausschließlich der Familie und dem Haushalt. Sie war der orthodoxe Teil in der Familie, wachte über koscheres Essen und die Einhaltung der jüdischen Gebote und Regeln. Die Familie war Mitglied der Synagogengemeinde und wohnte in der Langenstraße 39, dem Haus der katholischen Gemeinde Stralsunds.
Kurt und seine beiden Brüder, Alexander (geb. 1918) und Harry (geb. 1926) besuchten in Stralsund die Volksschule, später das Gymnasium (?). 1933 machte Kurt in der Schule seine ersten Erfahrungen mit dem Antisemitismus. Nach den Sommerferien wollten seine Mitschüler nicht mehr neben ihm sitzen; er musste – allein – die ungeliebte erste Bank im Klassenzimmer nehmen. In dem Interview, das die amerikanische Shoah-Foundation 1996 mit ihm führte, berichtet er davon, dass er zum Ziel von Schlägereien seitens der Mitschüler wurde und auch ein Lehrer ihn einmal mit Stockhieben auf die Hand „bestrafte“2. Von diesen Angriffen erzählte Kurt zuhause nichts, denn er wollte zum einen seinen kranken Vater nicht beunruhigen und zum anderen wollte er unbedingt die Schule beenden. Auf der Grundlage des “Gesetz(es) gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. April 1933” musste Kurt 1937 mit 15 Jahren die Schule verlassen. Der ältere Alexander war diesem Schulverweis zwei Jahre vorher zuvorgekommen, indem er über Italien nach Palästina emigrierte.
Noch während seiner Schulzeit leitete Kurt innerhalb der jüdischen Gemeinde Stralsunds eine Jugendgruppe, die sich zu verschiedenen Freizeitaktivitäten3 traf und nahm regelmäßig einmal die Woche am Hebräischunterricht von Simon Lemke teil.
Nach dem Schulverweis folgten die Erlebnisse der Reichskristallnacht, die Plünderung des väterlichen Geschäftes, der Brand der Synagoge und die erzwungene Eintragung des hebräischen Namens „Israel“, den er dann doch nicht tragen musste, weil die Verwaltung seinen handgeschriebenen Antrag aufgrund seiner Minderjährigkeit nicht anerkannte und die Zeit bis zur Abreise der Familie zu kurz war, um einen neuen zu stellen.
Weihnachten 1938 übertrat die Familie die Grenze nach Frankreich und schiffte sich in Cannes auf dem italienischen Schiff “La Conte Grande” ein, das nach Uruguay fuhr. Die Überfahrt erlebte Kurt als Abenteuer4, das allerdings dadurch getrübt wurde, dass seine Eltern größte Sorgen um die Zukunft hatten und diese sich zu bewahrheiten schienen als Probleme mit der Akzeptanz ihrer Visa auftraten.
Trotz aller Probleme wurden sie durch Uruguay aufgenommen und konnten später ihre Reise nach Argentinien fortsetzen. In Buenos Aires besuchte Kurt die Abendschule und lernte Spanisch. Auch das Abitur wollte er über die Abendschule nachholen, aber da er meistens zwölf bis vierzehn Stunden am Tag arbeitete – er hatte gelernt, Lederjacken herzustellen und verkaufte sie als Großhändler aus der Wohnung seiner Eltern heraus -, fehlte ihm letztlich die Kraft dafür. Als sich sein Geschäft etwas etabliert hatte, mietete er einen Laden an. Zeitweise diente dieser Laden auch seinem jüngeren Bruder Harry, der Juwelier und Uhrmacher gelernt hatte, als Verkaufslokal.
1963 heiratete Kurt seine Frau Hanni Jaeckel, eine jüdische Malerin aus Österreich, die bereits seit ihrem zweiten Lebensjahr mit ihren Eltern in Buenos Aires lebte. Mit ihr hatte er zwei Töchter, die heute bereits verheiratet sind und mit ihren Familien in Israel leben. Kurt Zimmerspitz und seine Frau siedelten im Oktober 2000 nach Jerusalem über, um dichter bei ihren Töchtern und deren Familien zu leben. Dort starb Kurt Zimmerspitz am 16. November 2013.
Quellen:
- Shoah-Foundation, Interview mit Kurt Zimmerspitz, ID-Code: 22415, vom 5. November 1996 in Buenos Aires, Argentinien, https://sfi.usc.edu,abgerufen am 12. und 13. Februar 2022
- Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 432, 439, 440, 435,
- Briefe ehemaliger Stralsunder Juden an Eberhard Schiel, Privatsammlung Schiel
- Wohnungsanzeiger Stralsund 1920-1941
- Einbürgerungsakte Alexander Zimmerspitz, Staatsarchiv Israel, www.archives.gov.il, abgerufen am 18.01.2021
- Interview von Jochanan Shelliem mit der Malerin Hanni Jaeckel de Zimmerspitz, Jerusalem, 28. August 2013, unter: https://Künste-im-Exil.de/KIE/Content/DE/Sonderausstellungen/StimmendesExil/Objekte/Jaeckel-Hanni.html
1 Es erscheint auch der hebräische Name Gershon für ihn.
2 Vgl. Dazu Quelle 1), Tonband 1, 13:37-17:00, abgerufen am 12. Februar 2022
3 Exkursionen, Ausflüge, Fußball- und Basketballspiele, Paddeltouren auf dem Strelasund
4 Vgl. dazu Quelle 1), Tonband 4, 13:35-13:50, abgerufen am 12. Februar 2022