Vorname | Leo/Laibus |
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Nachname | Pila |
Geburtsname | |
Geburtsdatum | 20.09.1903 |
Geburtsort | Balshato (Belchatów)/Lodz, Russland, heutiges Polen |
Wohnort(e) |
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Beruf | Schneider, Altwarenhändler |
Geschäftsadresse | Frankenstraße 3, Stralsund |
Familienstand | verheiratet |
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Verwandschaftsverhältnis | Ehemann von Regina Schwarzberg (geb. 1903), Vater von Norbert (geb. 1929) und Sylvia-Edith (geb. 1936) |
Deportation | 26.09.1942 Abschiebung nach Polen, Dachau, Buchenwald, Berlin-Moabit, Raasiku/Estland |
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Todesdatum | unbekannt |
Sterbeort | Raasiku, Estland |
Laibus1 Pila und Familie
Der jüdische Schneider Laibus Pila wurde am 20. September 1903 in Belchatow (Belshato) bei Lodz, in Polen geboren. Seine spätere, nicht-jüdische Frau Regina, geb. Schwarzberg wurde nur zwei Wochen vorher im gleichen Ort geboren.
Laibus und Regina kamen 1927 nach Stralsund, wo Laibus als selbstständiger Schneider an seinem jeweiligen Wohnsitz seinem Handwerk nachging. Ihre Kinder, Norbert und Edith-Sylvia, kamen 1929 und 1936 in Stralsund zur Welt. Das Ehepaar Pila ist in der Liste der Gemeindemitglieder der Stralsunder Synagoge von 1934 verzeichnet. 1938 erscheinen sie nicht mehr.
Im Mai 1935 kaufte Regina das Haus Frankenstraße 81. Im Vorderhaus wurde ein Konfektions- und Schuhwarengeschäft eingerichtet, die Familie bezog die Wohnung im ersten Stock. Die übrigen Wohnungen vermieteten sie. Sowohl Geschäft als auch Haus liefen seit 1935 auf den Namen von Regina. Aus der Liste der Grundstücke jüdischer Eigentümer2 wird ersichtlich, dass die Frankenstraße 81 zu den eher günstigen Grundstücken in Stralsund gehörte. Ihr Wert lag im Dezember 1938 bei 8.900 Reichsmark. Laibus Pila wird in den Listen der Stadtverwaltung zu jüdischen Geschäfte vom August 1938 aufgeführt. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Ehepaar das Geschäft bereits in einen An- und Verkauf alter und neuer Sachen umgewandelt, um den Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten zu entgehen.
Da Laibus und Regina Pila polnische Staatsangehörige waren, wurden sie auf Anweisung Himmlers am 28. Oktober 1938 des Landes verwiesen3. Ihr sofortiger Einspruch brachte keinen Aufschub. Sie mussten ihren gesamten Besitz in Wohnung und Geschäft bis auf ein Stück Handgepäck je Familienmitglied in Stralsund zurücklassen und wurden innerhalb von 24 Stunden mit dem Zug und unter Polizeiaufsicht nach Stettin gebracht. Die Kosten der Zugtickets hatten sie selbst zu tragen. Da sie spät in Stettin ankamen, wurden sie für eine Nacht im Polizeigefängnis untergebracht und mussten früh am nächsten Morgen mit dem Anschlusszug nach Bromberg (Wroclaw) und Belchatów weiterfahren. Dort kamen sie bei ihren Verwandten unter. Am 18. November 1938 wies der Regierungspräsident in Stettin ihre Beschwerde gegen die Abschiebung zurück.
Laibus beantragte Ende Dezember 1938 eine zeitweise Einreiseerlaubnis mit dem Ziel, die zurückgelassene Wohnung und sein Geschäft aufzulösen und selbst zu verkaufen. Auch dieser Antrag wurde abgewiesen. Die Stadt setzte zur Abwicklung des Geschäftes den Bücherrevisor Otto Bliefert ein. Die vom Gutachter O. Ludwig durchgeführte Inventur ergab einen Wert von 1.269,45 Reichsmark für die Geschäftsausstattung und für das Warenlager einen Wert von 1.214 Reichsmark. Nach der Veräußerung beider Teile und Abzug der durch die Abwicklung entstandenen Kosten blieb ein Restbetrag von 376,08 Reichsmark. Diese Summe überwies Staebe dem Abwesenheitspfleger Otto Bliefert, der mit der Veräußerung des Grundstückes und des zurückgelassenen Besitzes in der Wohnung betraut war, am 17. Januar 1940 auf ein für Regina Pila eingerichtetes Sperrkonto bei der Stralsunder Bank. Der Wert des bebauten Grundstückes wurde per 7. Februar 1939 mit 6.600 Reichsmark festgesetzt und lag damit 2.300 Reichsmark niedriger als der von der Städtischen Vermögensverwaltung noch Anfang Dezember 1938 für dieses Grundstück angegebene Einheitswert. Am 20. Februar 1939 verkaufte Bliefert das Grundstück für 7.000 Reichsmark an den Stralsunder Friseurmeister Paul Rühr. Der Verkauf wurde aber nach dem Einspruch des Rechtsanwaltes von Regina Pia und dem Protest des polnischen Konsults bezüglich Unrechtmäßigkeit und Nichtanerkennung des Kaufvertrages annulliert. Die deutsche und die polnische Regierung hatten im Januar 1939 ein Abkommen unterzeichnet, wie mit den Besitztümern der aus Deutschland ausgewiesenen polnischen Juden umzugehen sei. Unter Bezug auf den Runderlass des deutschen Reichswirtschaftsministers vom 6. Februar 1939 versagte der Stettiner Regierungspräsident die Genehmigung des Kaufvertrages, da „…die zwnagsweise Entjudung der städtischen Mietgrundstücke nach ausdrücklicher Anordnung des Beauftragten für den Vierteljahresplan im gegenwärtigen Augenblick noch nicht in Angriff zu nehmen“4 sei. Nur ein Jahr später hatte sich die Situation geändert: am 27. Mai 1940 genehmigte der Regierungspräsident dann einen neuen Kaufvertrag für das Grundstück Frankenstraße 81, der eine Woche vorher abgeschlossen worden war.
Die letzte in den Stralsunder Dokumenten auffindbare Anschrift der Familie lautet:
Regina Pila, M.B.Schwarzberg, Belchatów, ul. 11, Listopada 16, Powiat Piotrkowski.
Die Recherche in den Arolsen-Archiven ergab, dass zumindest Laibus Pila nach Berlin, Deutschland zurückgekehrt sein muss. Es existieren Häftlingsunterlagen von ihm aus den Konzentrationslagern Buchenwald, Dachau und aus dem Untersuchungsgefängnis Moabit. Nach diesen Unterlagen wurde er am 14. September 1939 anlässlich einer „Aktion“ in Berlin verhaftet und war vom 3. September 1940 bis zum 12. Juli 1941 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Am 12. Juli 1941 kam er in das Konzentrationslager Buchenwald, von wo er am 12. September 1941 in das Untersuchungsgefängnis Moabit in Berlin überführt wurde.
Das Gedenkbuch Berlin für die Opfer des Nationalsozialismus 1933 bis 1945 gibt an, dass Laibus Pila als politischer Häftling am 26. September 1942 mit dem 20. Osttransport in die Vernichtungsanstalt Raasiku, Estland deportiert wurde.
Regina Pila und ihren Kindern blieb das Schicksal der Deportation und Vernichtung erspart. Sie tauchen in keinen Dokumenten zum Holocaust auf. Der Grund dürfte hierbei die nicht-jüdische Abstammung von Regina gewesen sein. Ihr weiteres Schcksal ist bislang unbekannt.
Quellen:
- Zentrale Datenbank der Namen der Holcaust-Opfer, www.yadvashem.org, abgerufen am 12.11.2021, 19:51
- Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 432, 433, 434, 437, 439, 442, 443, 444,
- Stadtarchiv Stralsund, Rep. 29, Nr. 137
- Deportationslisten, unter www.statistik-des-holocaust.de, abgerufen am 15. November 2021, 18:02 Uhr
- Gedenkbuch-Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, www.bundesarchiv.de
- Internationales Zentrum zur Nationalsozialistischen Verfolgung, www.arolen-archives.org, abgerufen am 12. November 2021, 18:00
1 In den Dokumenten des Stralsunder Stadtarchivs und der Verwaltung nennt sich Laibus Leo.
2 Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 444
3 vgl. Die “Polenaktion”, unter Dokumente
4 Vgl. Stadtarchiv, Rep. 24, Nr.4588, Blatt 64