Vorname Lili Antonie Gertrud Stefanie Erika
Nachname Pogge
Geburtsname Daum
Geburtsdatum 12.10.1884
Geburtsort Erfurt
Wohnort(e)
  • Altefähr
  • Stralsund, Rosengarten 3
  • Stralsund, Fährstraße 8
  • Stralsund, Sarnowstraße 13
Beruf ohne
Geschäftsadresse
Familienstand verheiratet
Verwandschaftsverhältnis Ehefrau von Georg August Pogge (1876-1958), Mutter von Hildegard (1913-2004), Carl Ludwig (geb. 1914), Hans-Georg (1917-1944), Burghard (1919-1944)
Deportation keine, Überlebende
Todesdatum 14.01.1966
Sterbeort Stralsund

Lily Pogge, geb. Daum

Lili1 Daum wurde am 12. Oktober 1884 im thüringischen Erfurt als Tochter des nicht-jüdischen Hauptmanns Carl Ernst Louis Richard Daum (geb. 1845) und seiner jüdischen Ehefrau Rosa Eugenia Margarethe, geb. Goldstein (geb.1863) geboren.

Beide Eltern heirateten 1883 in Berlin, waren evangelisch getauft und nahmen dann den gemeinsamen Wohnsitz in der Erfurter Westfalenstraße 17/Wilhelmstr. 7. Der Vater war Direktionsassisstent der Gewehrfabrik der Garnison2. Nach Lilis Geburt muss die Familie Erfurt verlassen haben, denn sie taucht später nicht mehr in den Wohnungsanzeigern dieser Stadt auf.

Es ist nicht bekannt, ob Lili eine Lehre abschloss und vor ihrer Ehe beruflich tätig war. 1912 heiratete sie in Ossowitz, Krs. Posen (heute: Osowiec, Polen) den Offizier und Nichtjuden Georg August Pogge (1876- 1958). Er wurde in Stralsund geboren und war ebenfalls evangelisch getauft. Georg August Pogge diente von 1898-ca.1903 als Leutnant im 14. Infanterieregiment in Graudenz (heute: Grudziądz, Polen) und war von 1903-1912 mit seinem Regiment in Bromberg (heute: Bydgoszcz, Polen) stationiert. Für ihn war es seine zweite Ehe. Im März 1920 wurde er zum Major befördert.

Die Anwendung der Bestimmungen des Versailler Vertrages führte zu neuen Grenzverläufen und gliederte die Region Bromberg in die Zweite Polnische Republik ein, woraufhin viele Deutsche das Gebiet Richtung Westen verließen. Zu ihnen zählte die Familie von Lili und Georg Pogge. Ende 1919 war die Familie in Stralsund, wo der als Arzt tätige Vater Georgs, Carl Friedrich Pogge (1839-1906), als Geheimer Medizinal-rat in den höchsten Kreisen der städtischen Gesellschaft verkehrt hatte und seine Witwe3 immer noch in hohem Ansehen stand.

Der Verkauf des Gutes Mochel4, das seit mindestens 1912 in Familienbesitz und vorheriger Lebensmittel-punkt der Familie war, konnte 1920 verkauft werden und im April desselben Jahres zog die Familie von Lili Pogge auf ein eigenes Grundstück in Altefähr5.

Das Ehepaar hatte vier Kinder: Hildegard Christine (1913-2004), Carl Ludwig (1914-19), Hans-Georg (1917-1944) und Burghard (1919-1944). Burghard und Hans-Georg starben bei Kampfhandlungen während des II. Weltkrieges. Über den Verbleib des ältesten Sohnes ist nichts bekannt. Hildegard blieb ledig und arbeitete als Helferin in einem Kindergarten. Sie überlebte den II. Weltkrieg in Stralsund bei ihren Eltern.

Nach dem Tod von Georgs Mutter erbte er ihr Haus in der Fährstraße 8 und zog 1930 mit der Familie nach Stralsund. Bis 1935 sind sie hier mit der Adresse Rosengarten 3 als Mieter erfasst. Zwischen 1935 und 1937 zog die Familie in das Vaterhaus Georgs, Fährstraße 8. Beim großen Bombenangriff auf Stralsund im Oktober 1944 wurde dieses Haus zerstört. An seiner Stelle steht heute ein Wohnblock aus den 1950er Jahren.

Das Archiv gibt wenig Hinweise auf das Schicksal der Familie während der NS-Zeit. Lili Pogge taucht 1938 bei der ersten Erfassung der Stralsunder Juden und “Mischlinge” durch die Stadtverwaltung noch nicht auf. Erst der Mikrozensus von 1939 führt sie als “Mischling 1. Grades” und nahm damit auch die anderen Familienmitglieder in Sippenhaft6.

Bekannt ist, dass der Major a.D. Georg August Pogge einen Antrag auf einen Gnadenbeweis stellte, in dem er um die Befreiung der Einstufung seiner Kinder als „Mischlinge 2. Grades” nachsuchte. Das belegt ein Schreiben des damaligen Stralsunder Oberbürgermeister, Dr. Werner Stoll, an den Regierungspräsidenten von Stettin, in welchem er darauf hinweist, dass “…der Antragsteller besonders als alter Offizier seelisch außerordentlich unter diesen gesetzesbedingten Folgen der Mischlingseigenschaft seiner Kinder (leidet – d. A.) und …sie gerne durch einen Gnadenbeweis beseitigen lassen (möchte- d. A.).”7 Gleichzeitig fragt der OB nach, wie in diesem Fall zu verfahren sei. Als Antwort wird ihm vier Wochen später mitgeteilt, dass “…der Herr Minister des Inneren die Weiterverfolgung (der Angelegenheit- d. A.) abgelehnt hat. Als Mischling 2. Grades können die Kinder mehrere Berufe ergreifen, wo ihnen keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden.”8 Damit war das Schicksal der Kinder entschieden.

Das Adressbuch Stralsunds von 1951 gibt Georg – und damit auch Lili – als Mieter an der Adresse
Sarnowstraße 13 an. Nach dem Tod ihrer Eltern wohnte nur Hildegard noch 1991/92 an dieser Adresse. Lili Pogge und ihr Mann überlebten den II. Weltkrieg in Stralsund. Sie starben hier 1958 (Georg August) und 1966 (Lili).

  1. Quellen:
    1. Stadtarchiv Stralsund, Wohnungsanzeiger von Stralsund 1924-1951
    2. Wohnungsanzeiger Erfurt 1882-1889, unter www.wiki.genealogy.net/Erfurt/Adressbuch, abgerufen am 2. Dezember 2024
    3. Familienchronik von Christine Pogge, geb. Kämmerer, Sammlung Pogge, Stralsund-
    Museum
    4. Adressbuch Graudenz 1898, unter: www.wiki.genealogy.net/Graudenz/Adressbuch,
    abgerufen am 2. Dezember 2024
    5. Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 432a, Schreiben des OB an den Regierungspräsident
    vom 20. August 1940
    6. Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 432a, Blatt 130, Schreiben des Regierungspräsidenten
    an den OB vom 17. September 1940.

1 Ihre weiteren Vornamen sind: Antonie Gertrud Stefanie Erika.
2 In Erfurt lagen zu diesem Zeitpunkt Einheiten der Artillerie, Infanterie, Kavallerie, Füsiliere und der Landwehr in Garnison.
3 Christine Pogge, geb. Kümmerer (1854-1927)
4 Gut Mochel (heute: Mochle/Mochelek, Polen)
5 Aussage aus der Familienchronik von Christine Kämmerer.
6 Während der NS-Zeit war die Sippenhaft eine mit Gewalt erzwungene Sippenhaftung. Man setzte sie als Druckmittel gegen Familienangehörige von Juden ein und machte diese mit Freiheit, Vermögen oder Leben haftbar.
7 Siehe Quelle 5
8 Siehe Quelle 6