Der Begriff „Aktionsjuden“ bezieht sich auf die Juden, die nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 durch Polizei und NSDAP verhaftet und größtenteils in die Konzentrationslager Sachsenhausen, Dachau und Buchenwald gebracht wurden. Der Begriff bezieht sich auf die „Aktion Rath“, einen Namen, den der Pogrom in Anspielung an seinen Anlass – das Attentat auf den deutschen Diplomaten vom Rath – erhielt. Am 16. November 1938 endeten die Verhaftungen.
Das Ziel dieser Aktion war die Einschüchterung von Familienvorständen, besonders wohlhabender jüdischer Familien, um sie zur Auswanderung und zum schnellstmöglichen, deshalb unter Wert, Verkauf ihres Besitzes zu veranlassen. Auf diese Weise sollte die „Arisierung“ , d.h. die Zwangsenteignung jüdischer Geschäfte und jüdischen Besitzes vorbereitet und beschleunigt werden.
Für Stralsund ist die Inhaftierung von circa 24 Personen bekannt: u.a. Gerhard und Felix Gerson, Gustav Zimmerspitz, Martin, Max, Hugo und Siegbert Cohn, Eugen Liebenthal, Max Israel und Luise Kotljarski, Simon Lemke, Salomon und Pinkus Paul Eckdisch, Josef Rotenberg und seine Familie, Isidor Lewkowitz, Friedrich-Wilhelm Philipsborn.
Die Frauen und die Kinder wurden bereits am nächsten Tag auf Befehl wieder entlassen. Am 16. November 1938 durften auch Kranke und die über Sechzigjährigen nach Hause.
Im Falle der Stralsunder Juden wurden alle restlichen in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Man schätzt die Gesamtzahl aller zu diesem Zeitpunkt in Sachsenhausen internierten Aktionsjuden auf 6.000. Nicht alle in Sachsenhausen internierten Juden überlebten. 80 bis 90 von ihnen starben durch Suizid, Krankheit, Erschöpfung und Unterernährung. Von den Stralsunder Juden war keiner unter diesen Toten.
Die große Masse der Verhafteten kam bis zum Jahresanfang 1939 wieder frei. Am 01. Januar 1939 gab es in Sachsenhausen noch 958 inhaftierte „Aktionsjuden“. Befehle regelten die stufenweise Freilassung der Gefangenen. Am 28. November 1938 durften die unter sechzehnjährigen Jugendlichen nach Hause; ab dem 12. Dezember 1938 dann die über Fünfzigjährigen und kurz vor Weihnachten die jüdischen Lehrer. Wer dem Druck nicht standhielt, seinen Besitz verkaufte, sich zur Scheidung von seinem nichtjüdischen Ehepartner verpflichtete, bereits ein Ausreisevisum besaß oder seine Ausreise arrangierte, hatte große Chancen, sofort frei zu kommen. Aber eine Gewissheit über das eigene Schicksal bestand nie. Das änderte sich auch nach der Haftentlassung nicht mehr. Für viele waren besonders die Spätfolgen der Haft gravierend.